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Keynes Gesellschaft Keynes Gesellschaft

Ein Preis für Böse (18.02.2013)

 

Eigentlich sollte ich heute Nachmittag ja den Preis für Wirtschaftspublizistik bekommen, den eine gewisse Keynes-Gesellschaft einmal im Jahr vergibt. Nun bin ich mir seit Freitag nicht mehr ganz sicher (wobei der Name ja ohnehin in Deutschland nichts Gutes verspricht).Nach investigativen Recherchen haben die Kollegen einer überlebenden deutschen Wirtschaftszeitung am Freitag herausgefunden, dass dieser Keynes sage und schreibe sieben Irrtümern erlegen ist (also damals, bevor er 1946 gestorben ist). Wahnsinn, dass das bisher keiner gemerkt hat. Der Mann soll angeblich sogar empfohlen haben, in Krisen Staatsschulden zu machen, um die Krise zu bekämpfen. Irre. Und überhaupt, nach noch investigativeren Recherchen des Hauses soll er sogar der Vater der aktuellen Staatsschuldenkrise sein – rums, so einfach ist manchmal die Welt. Was immerhin einer Gebärzeit von fast 70 Jahren nahe kommt. Wirklich gruselig.

Jetzt fragt sich natürlich, warum das vor dem 15. Februar 2013 nach Christus keiner gemerkt hat. Warum bisher immer irgendwie von Banken die Rede war? Oder von den Griechen (war Keynes in Wahrheit ein…? Nicht auszudenken)? Vielleicht liegt es daran, dass die meisten vielleicht doch vor der logischen Herausforderung zurückschrecken, den angeblichen Königsvorschlag von Keynes als Ursache für das Hochschnellen der Staatsschulden seit 2007 zu diagnostizieren? Weil das Hochschnellen in Wirklichkeit ja nach Ausbruch der Finanzkrise kam und relativ unzweideutig mit dem Retten von Banken (und Konjunktur) zu tun hat – und weniger mit Konjunkturpaketen, die über Jahrzehnte ja ohnehin verpönt waren? Weil nach aller historischer Erfahrung in der Bankenkrise sonst noch viel größere Katastrophen passiert wären? Gut möglich. Es wurde ja gelegentlich auch schon festgestellt, dass die Staatsschuldenkrisenländer Spanien und Irland vor Ausbruch der Krise gar keine hohen Staatsschulden hatten, sondern erst danach – da können nach allen Regeln der Logik die hohen Staatsschulden ja auch nicht die Ursache der Krise sein, oder? Und was ist mit Deutschland, wo 2009 das böse keynesianische Rezept angewandt und die Konjunktur gestützt wurde – daraufhin die Konjunktur tatsächlich wieder anzog und wir heute erstmals seit langem wieder Überschüsse im Staatshaushalt haben?

Naja, passt alles nicht so richtig ins Getöne, aber ist ja egal. Hauptsache Rumtata. Und wenn man so drüber nachdenkt, kommt einem das in Deutschland  ja doch irgendwie auch bekannt vor. Nirgendwo wird Wirtschaftspolitik mit so viel Gesinnungseifer begleitet wie bei uns (wobei ich das für Nordkorea und Kuba nicht so gut beurteilen kann) – was durchaus gelegentlich auch für die andere Seite gilt. Und eigentlich gibt es für engagierte deutsche Mainstream-Wirtschaftsdenker keine Krise der Welt, die man nicht irgendwann doch mal schnell auf John Maynard Keynes zurückführen könnte (und vice versa). Ungemein praktisch. Das erspart kompliziertes Nachdenken und Nachlesen. Und weil man das ja nun schon seit vierzig Jahren so vor sich hin sagt, muss man auch nicht mehr groß überlegen, ob und was da stimmt. Praktisch, aber nicht wirklich hilfreich.

Ganz im Ernst: Wenn man mit etwas weniger Gesinnungseifer durch die Lande zieht, stößt man doch recht häufig in ganz anderer Art auf diesen Ökonomen – ob es um die Frage von Reparationen nach Kriegen geht (Keynes kritisierte nach 1918 die hohen Forderungen an die Deutschen) oder um die Animal Spirits, die für viel Instabilität beim Wirtschaften sorgen, oder um die Krisenanfälligkeit von Finanzmärkten (die der Mann erstaunlich treffsicher schon damals beschrieb) und die Notwendigkeit einer Transaktionssteuer; oder um ein neues Weltwährungssystem als Ersatz für das aktuelle Chaos. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Da könnte manch einer nochmal was ganz Neues lernen über die plausibleren Gründe für unsere Krisenprobleme.

Ich glaube, ich nehme den Preis doch an.



Quelle:

http://neuewirtschaftswunder.de/2013/02/18/ein-preis-fur-bose/________________________________________________________________________________